Bettina Antoinette
In Form einer inneren Schau erschließen sich mir neue ästhetische Dimensionen musikalischer Partituren. Es ist ein “Hören-Fühlen-Sehen”, in diesem Prozess erfahre ich Musik als eine komplexe Synästhesie. Und auch biographische Daten und existenzielle Hintergründe der entsprechenden Komponisten*Innen sind für mich relevante Einflussgrößen, die in meinen bildnerischen Prozess Eingang finden und sich malerisch zu einer “synästhetischen Partitur” verdichten.
Zur Zeit beschäftige ich mich mit der malerischen Umsetzung von Frauenkompositionen auf Leinwand, deren Werke über die Jahrhunderte zu Unrecht kaum oder keine Beachtung fanden. Die Entdeckung der Bildenden Kunst als Ausdrucksmedium erschloss für mich als Musikerin/Sängerin eine neue Dimension der Expression, erweiterte mein künstlerisches Selbstverständnis und befreite mein schöpferisches Potenzial. Durch mein musikalisch -synästhetisches Wahrnehmungsvermögen erlebe ich Akkorde und Klangmuster, Melodiebögen, Rhythmus und Taktung in allen Sinneskanälen. Eine Partitur vermag mich leiblich zu ergreifen und zu durchdringen.
Während ich Musik höre, fließen meine Empfindungen und Assoziationen des jeweiligen unmittelbaren auditiven Inputs in meine Arme und Hände und manifestieren sich im Malprozess in Farben und Formen. Dabei generieren meine musikalischen Empfindungen und Anmutungen sofort Bilder in mir, die mit meinem Malprozess auf der Leinwand interagieren und in einem Hin-und Herpendeln sowohl zwischen musikalischem Input, meinen Empfindungen und Assoziationen, die auch von biographisch-lebensgeschichtlichen Informationen des Komponisten mit beeinflusst werden, als auch mit dem motorisch-technischen Malgeschehen auf der Leinwand selbst. Diese komplexe Interaktion und Dynamik führt schubweise zum endgültigen Bildwerk. Die Musik höre ich beim Schaffensprozess so lange, bis ich von ihr ganz durchdrungen bin und all die Klangfolgen in meinem Geist und Körper verinnerlicht sind, dann kreist die musikalisch- kompositorische Gestalt in mir und ist abgespeichert, so dass ich jederzeit wieder darauf zugreifen kann, auch wenn ich länger währende Malakte temporär unterbreche.
